Oft beginnen die Schwierigkeiten nach einem Erbfall erst mit dem Auffinden eines Testamentes. Viele Erblasser verwenden in ihren letztwilligen Verfügungen Formulierungen, die für Außenstehende nicht eindeutig erkennen lassen, was der Erblasser mit seinem Testament tatsächlich erreichen wollte. In diesen Fällen muss der tatsächliche Wille des Erblassers durch Auslegung ermittelt werden.

Eine häufig in Testamenten anzutreffende Formulierung lautet “Hiermit vermache ich …“. Wie diese Formulierung jedoch zu verstehen ist, hängt oft von dem Gesamtzusammenhang ab, in dem sie verwendet wird.

Das Bürgerliche Gesetzbuch, in dem auch das Erbrecht geregelt ist, unterscheidet zwischen Erbeinsetzung und Vermächtnis.

Der Erbe wird Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers. Das bedeutet, dass er in die rechtliche Stellung des Verstorbenen mit allen Rechten und Pflichten eintritt. So erhält ein Erbe beispielsweise die Bankguthaben, Wertpapiere und auch die Möbel in einer gemieteten Wohnung des Erblassers, muss jedoch auch eventuell noch nicht bezahlte Rechnungen des Verstorbenen begleichen und sich um die Wohnungsauflösung kümmern. Diese rechtliche Stellung erhält der Erbe unmittelbar mit dem Erbfall, wobei er jedoch eine Frist von 6 Wochen ab Kenntnis von Erbfall und Erbenstellung hat, um zu entscheiden, ob er die Erbschaft nicht lieber ausschlagen möchte. Lässt er diese Frist verstreichen, so gilt die Erbschaft als angenommen und der Erbe kann sich nur in Ausnahmefällen wieder aus der Erbenstellung befreien.

Derjenige, dem im Testament ein Vermächtnis zugewandt wird, hat hingegen eine völlig andere rechtliche Stellung. Er hat lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch gegenüber dem Erben auf Erfüllung des Vermächtnisses.

Vermacht also beispielsweise ein Großvater seiner Enkelin einen Geldbetrag in Höhe von 5.000,00 EUR für ihr Studium, kann diese nicht mit dem Testament zur Bank gehen und sich den Betrag direkt auszahlen lassen. Sie kann lediglich den Erben auffordern, ihr diesen Betrag auszuzahlen und ihn erforderlichenfalls sogar hierauf verklagen.

Vielen Erblassern ist bei Abfassung ihres Testamentes jedoch diese juristische Unterscheidung zwischen Erbschaft und Vermächtnis nicht bewusst. Sie verwenden die Formulierung “ich vermache“ auch dann, wenn sie einen Erben einsetzen wollen, häufig in der Form “Hiermit vermache ich mein gesamtes Vermögen …“.

Umgekehrt wird häufig von “vererben“ gesprochen, wenn eigentlich ein Vermächtnis gewollt ist, zum Beispiel in der Form “Meine goldene Kette mit dem Medaillon soll meine Nichte erben.“: Werden einer Person nur einzelne Gegenständen im Testament zugedacht, spricht dies im Zweifel eher dafür, dass damit der oder die Bedachte nur ein Vermächtnis erhalten sollte, ohne Erbe zu werden.

Schwierigkeiten ergeben sich insbesondere, wenn ein sogenanntes Verteilungstestament errichtet wird. Dabei regelt der Erblasser in seinem Testament mehr oder weniger vollständig, wie sein künftiger Nachlass unter Verwandten und Freunden aufgeteilt werden soll, ohne erkennen zu lassen, wer dabei Erbe werden und damit auch für die Bereinigung der Schulden und die rechtliche und praktische Abwicklung des Nachlasses verantwortlich sein soll. Hier muss anhand der Regelungen im Testament sowie aufgrund der Gesamtumstände durch Auslegung geklärt werden, ob beispielsweise die Personen, die im Testament mit besonders großen oder wertvollen Anteilen am Nachlass bedacht wurden, damit zugleich für die Bereinigung der Schulden und die Erfüllung der übrigen Vermächtnisse zuständig sein sollten oder ob der Erblasser beispielsweise nur Vermächtnisse aussetzen und es im Übrigen bei der gesetzlichen Erbfolge belassen wollte.

Hat ein Erblasser mehrere Erben, so dient ein Testament häufig nur dem Ziel, die Aufteilung des Nachlasses zwischen diesen Erben zu regeln, ohne die Erbfolge abzuändern. Sind beispielsweise mehrere Grundstücke im Vermögen einer Erblasserin vorhanden, kann diese im Testament anordnen, dass ihre Tochter das eine und ihr Sohn das andere Grundstück erhält. Spannend wird es dann, wenn die Grundstücke unterschiedliche Werte aufweisen oder ein Kind ein Grundstück und ein Kind das übrige Vermögen erhalten soll. Es muss dann durch Auslegung ermittelt werden, ob der Erblasser lediglich eine Teilungsanordnung treffen oder ein sogenanntes Vorausvermächtnis zuwenden wollte.

Bei einer Teilungsanordnung werden bestimmte Teile des Nachlasses lediglich bestimmten Erben zugewiesen, ohne dass damit die Erbquote verändert werden soll. Der Erbe, der im Rahmen der Erbauseinandersetzung zum Beispiel das wertvollere Grundstück erhält, muss dann aus seinem Anteil am übrigen Nachlass oder sogar aus seinem eigenen Vermögen die Wertdifferenz ausgleichen, so dass alle Erben wirtschaftlich gleichgestellt sind.

Bei einem Vorausvermächtnis hat der Erblasser hingegen die Absicht, einen Wertausgleich unter den Erben auszuschließen und dadurch den Erben, der den wertvolleren oder größeren Teil des Nachlasses erhält, besser zu stellen. Dies geschieht häufig, wenn einer der Erben sich bereits aus eigener Kraft eine bessere Stellung im Leben erarbeitet hat und daher aus Sicht des Erblassers keine weitere Unterstützung benötigt oder umgekehrt, wenn einer der Erben bereits zu Lebezeiten vom Erblasser mehr Unterstützung erhalten hat und dies nun im Rahmen der Erbschaft ausgeglichen werden soll.

Für Erblasser ist es daher sinnvoll, sich vor der Abfassung eines Testaments durch einen fachkundigen Anwalt oder Notar beraten zu lassen oder gleich einen Notar mit der Gestaltung eines notariellen Testaments zu beauftragen. Für Erben ist es sinnvoll, nach dem Erbfall anwaltlichen Rat einzuholen, um keine Ansprüche zu verlieren.